Barbara Cuesta ist einen weiten Weg gegangen. Vom Indie-Pop-Nachwuchstalent mit Major-Label- Vertrag, das 2005 sein erstes, deutschsprachiges Album veröffentlichte, über die Arbeit als Theatermusikerin (Westfälisches Landestheater), zum zweiten, englischsprachigen Album „Shine“ (2011). Auch dieses liegt nun bereits mehr als zehn Jahre zurück. Eine Zeit, in der aus der Singer- Songwriterin nicht nur eine Yoga-Lehrerin wurde, sondern auch eine selbstbewusst queere Frau mit der Fähigkeit, ihre Position innerhalb der Gesellschaft kritisch zu reflektieren: „Ich habe mich intensiv mit den Themen Herkunft, der Migrationsgeschichte meiner Familie und auch mit meinen Privilegien als weiße Person mit Zugang zu Bildung und Förderung auseinandergesetzt“, fasst Cuesta diesen Weg zusammen. Eine Entwicklung, die nun in einem neuen, politisch sendungsbewussten Album mündet und in der Gründung ihres eigenen Labels Santianes Records, benannt nach dem Heimatdorf ihrer Familie in Spanien.
„Euforia“, das auf ihrem eigenen Label erscheinen wird, verfolgt einen queeren Ansatz, der Musik als intersektionelle Kunstform begreift. Als Medium, das Fragen stellt – nicht nur danach, worüber gesprochen wird, sondern ebenso danach, wer hier eigentlich spricht: „Bei den Beteiligten der Produktion sind alle Gender vertreten, alle sind queer und/oder haben einen Migrationshintergrund“, fasst Cuesta den Ansatz zusammen, der weit über die inhaltlichen Aspekte ihres Albums hinausgeht. So stellt „Euforia“ nicht nur textlich konsequent die Perspektiven queerer, weiblicher, nicht binärer Menschen und Migrant*innen in den Vordergrund, sondern bildet gleichzeitig eine Art Plattform, auf der all diese Menschen durch Musik und Produktion selber sprechen. Die Frage der Teilhabe beantwortet Cuesta so einfach wie konsequent und ist sich dabei des Privilegs bewusst, bereits zum zweiten Mal ein Album durch Förderung der Initiative Musik aufnehmen zu können: „Vor allem Frauen und nicht binäre Menschen sollen für ihre großartige Arbeit bezahlt werden. Mein Team und ich, wir teilen die Vision von gegenseitiger Unterstützung, Solidarität und Diversität.“
Auch, oder gerade weil sich ihr politischer Ansatz in den zehn in Englisch, Deutsch und Spanisch gesungenen Indiefolk-Tracks der Platte nicht laut aufdrängt, nicht grell und Medien affin seine Relevanz in die Welt schreit, ist „Euforia“ ein gelungenes Album. Auf leisen Pfoten durchschreiten Cuesta und ihr musikalisches Team (Rey KM Domurat, Zeina Azouqah, Mirna Stanic und Aidan Lowe) die gläsernen Wände von Race, Class und Gender und liefern damit nonchalant ein queeres Album auf der Höhe des Diskurses.
Einen Vorgeschmack auf „Euforia“ lieferte bereits der Albumtrack „A Head Will Roll“, der für die 2021er-Ausgabe der „Listen to Berlin“ Sampler-Reihe der Berlin Music Commission ausgewählt wurde.